Über Erfolg und Ehrgeiz gibt es viele Geschichten. Hier ist eine, die von einem jungen Mann erzählt, der auf das vertraute, woran er glaubte, um seine Ziele zu erreichen.
Abdallah wurde 1987 in Sayyidah Zaynab, einem touristischen Vorort im Süden von Damaskus, geboren. Er besuchte dort die Schule und entschied sich nach dem Abitur, in Damaskus Krankenpflege zu studieren. Sein Studium in der Krankenpflegeschule schloss er nach drei Jahren ab. Danach arbeitete er in staatlichen Krankenhäusern und, wegen des niedrigen Gehalts und der steigenden Lebenshaltungskosten, daneben auch noch in Privatkrankenhäusern. Gerade als er fest im Leben zu stehen schien, bekam sein Weg zum Erfolg einen Riss: Der Krieg wurde ausgerufen – von einem totalitären Regime, welches das freie Denken und den Erfolg des Einzelnen bekämpft, um ein Volk, das einfach nur leben möchte, zu unterdrücken. Träume und Ambitionen wurden gnadenlos zerstört. Beim Krieg des syrischen Regimes wurden nicht nur viele junge Syrer verhaftet oder ermordet, sondern auch dazu gezwungen, ihre Mitbürger, Brüder und Söhne zu töten.
Als Abdallah den Entschluss fasste, nach Deutschland zu flüchten, war er ein ehrgeiziger junger Mann, der bereits alles verloren hatte, was er in seinem Land einmal besaß. Seine Flucht mit den vielen Schwierigkeiten und Gefahren war ein harter Weg voller Tod. Zuerst reiste er in den Libanon, wo er sich mit seinen Freunden entschied, über Libyen nach Europa zu fliehen. Diese Route war im Vergleich zu der Alternative über Griechenland und Ungarn, mit geringeren Kosten verbunden. Abdallah und seine Freunde buchten also einen Flug nach Algerien. „Hier begann der Weg riskant zu werden“, erklärt Abdallah. Die Schlepper teilten die Menschen in Gruppen auf und brachten sie für eine hohe Geldsumme über Libyen, nach Europa. Auf ihrem Weg wurden die Flüchtlinge von der algerischen Polizei verfolgt und angeschossen. Trotz der Angst und des Schreckens überlebten sie wie durch ein Wunder. Die Schlepper ihrerseits kassierten ihr Geld, bevor sie die Leute in Boote setzten, die nicht einmal für die Fahrt auf einem kleinen Fluss taugen würden.
Hier, im Meer, begann die dritte Todesreise
„Hier, im Meer, begann die dritte Todesreise“, so nennt es Abdallah, denn dort mussten sie sechs Tage lang ausharren. Nahrung und Getränke gingen bald aus. Begleitet wurden sie von nichts anderem als den Schreien der Kinder. Ebbe und Flut brachen als johlende Wellen von links und rechts über sie herein. Sie beteten auf dem schaukelnden Boot für ihr Überleben und dachten darüber nach, welches Ende sie wohl nehmen würden. Das ging so lange, bis die italienische Küstenwache kam und sie rettete. In Italien angekommen, begann ihre Flucht nach Deutschland. Abdallah selbst kam am 27.10.2014 in Deutschland an. Nachdem er bei den Behörden in Berlin Asyl ersuchte, wurde er an einen Ort gebracht, der, so erinnert sich Abdallah, einem Gefangenenlager glich. Er hatte sich die Dinge anders vorgestellt. Abdallah wollte Deutsch lernen. Dies aber ist nur jenen gestattet, denen bereits Asyl zuerkannt wurde. Nach sechs Monaten, im April 2015, erhielt er dann Asyl. „Damit wurde der Wendepunkt in meinem Leben eingeläutet“, sagt Abdallah. Er schloss das Anmeldeverfahren im Jobcenter ab und fing an, Deutsch zu lernen. Beim Sprachkurs machte er mit einer jungen deutschen Frau Bekanntschaft, die in einem Altenheim in genau jenem Bereich arbeitet, in dem auch er einen Studienabschluss hat und in Syrien tätig war: in der Krankenpflege. Die junge Frau half ihm bei der Suche nach einer Arbeitsmöglichkeit in diesem Bereich Abdallah hatte Glück: Er fand diese Arbeitsmöglichkeit genau dort. Vorerst arbeitet er nur als Hilfskraft in der Krankenpflege. Er muss warten, bis seine syrischen Studienzeugnisse in Deutschland anerkannt sind. Nach wie vor lernt Abdallah parallel zum Arbeiten im Altenheim Deutsch und ist auf dem besten Weg, sein Ziel – eine Vollzeitanstellung – zu erreichen.
Ich benötige keine Sozialhilfe und zahle regelmäßig Steuern. Darüber bin ich sehr glücklich.
Übersetzung aus dem Arabischen von Melanie Rebasso
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