Geliebte Worte

Foto: Juliane Metz
Foto: Juliane Metz

Interview mit dem eritreischen Dichter Kesanet Abraham

Sie handeln von Mut, Liebe und der Hoffnung, immer aber vom Leben: die Gedichte des 20-jährigen eritreischen Dichters Kesanet Abraham. Juliane Metz sprach mit ihm über seine Leidenschaft zu schreiben und über seine Sicht auf das Leben.

Warum schreibst Du Gedichte?

Deine Frage ist berechtigt – aber ich habe keine Antwort darauf. Ich weiß es selbst nicht, warum ich Gedichte schreibe. Ich schreibe nicht, um zu schreiben. Ich habe einfach den inneren Drang, mich auszudrücken. Schon als Kind liebte ich Bücher und Gedichte. Ich hatte immer sehr viele Bücher. Leider konnte ich die nicht mitnehmen, als ich Eritrea verließ. Das erste Buch, an das ich mich erinnere, war eines mit etwa 80 Seiten – aus meiner achtjährigen Kindersicht fand ich das sehr dick! (Er lächelt). Ich liebte es. Es enthielt Kurzgeschichten. Mit 13 Jahren habe ich in meiner Heimatstadt Mendefera dann an einem sechsmonatigen Kurs teilgenommen, in dem wir geübt haben, Themen zu finden und dichterische Stilmittel zu verwenden.

Also hast du richtig professionell Gedichte schreiben gelernt! Welche Stilmittel verwendest du?

Wichtig ist mir vor allem ein harmonischer Rhythmus. Auf Tigrinja gibt es in meinen Gedichten an manchen Stellen Reime an den Zeilenenden. (Er liest einige Zeilen des Gedichtes „Erobert“ aus der 2. Ausgabe der kulturTÜR vor.) Bei der deutschen Übersetzung gibt es zwar keine Reime, aber ich mag sie trotzdem sehr.

Wie findest Du die Themen für deine Gedichte?

Eigentlich ist das ein ständiger Prozess in meinem Kopf. Alles, was mir persönlich oder anderen passiert, hat das Potenzial dazu, in einem Gedicht verarbeitet zu werden. In welcher Form ich das dann tue, ist ein längerer kreativer Prozess.

Wie ist es mit politischen Themen?

Die sind nicht so meins. Aber eines meiner ersten Gedichte handelt zum Beispiel von der Entschlossenheit der eritreischen Befreiungskämpfer während des dreißigjährigen Krieges um die Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien 1961 bis 1991. Diese tapferen Menschen hatten ein Ziel, sie waren gezwungen zu kämpfen, mussten ihr Zuhause verlassen und notfalls den Tod in Kauf nehmen. Ihre Entschlossenheit fasziniert mich. Ich wünschte mir, auch heute würden meine Landsleute solche Energie entwickeln und den Mut haben, aktiv etwas zu verändern. In vielen Ländern der Erde gibt es Krieg. Ich wünschte, die Menschen würden erkennen, dass Gottes wunderbare Schöpfung genug Raum bietet für alle.

Wann hast Du dein erstes Gedicht geschrieben, und wer liest deine Gedichte?

Mein erstes Gedicht habe ich 2012 geschrieben. 2013 habe ich beim Sawa Festival, dem jährlich stattfindenden nationalen Jugendfestival in Eritrea, mit einem Gedicht den dritten Platz belegt. Zurzeit veröffentliche ich meine Gedichte vor allem auf Facebook. Dort gibt es eine große eritreische Community zum Thema Gedichte, die größte Gruppe umfasst rund 12.000 Mitglieder. Ich bekomme viel Rückmeldung, und wir diskutieren und geben uns gegenseitig Tipps. Ich habe auch noch immer engen Kontakt zu Habte Mahari, bei dem ich damals den Kurs gemacht habe. Er schreibt selbst Gedichte und hat die Texte für ein bekanntes Musikalbum verfasst. Ihn frage ich gern um Rat und lerne in diesem Austausch immer noch viel dazu. Natürlich träume ich davon, irgendwann selbst einen Gedichtband herauszugeben. (Er lächelt zuversichtlich.) Das wird sich finden!

 

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