Die Situation von Afghanen im Nachbarland Iran ist alles andere als einfach
Alle Kinder dieser Erde haben ein Recht auf Bildung, und es muss alles daran gesetzt werden, ihnen Zugang dazu zu verschaffen. So ist es in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben. Fast alle UN-Mitgliedsstaaten haben diese unterzeichnet, einig darüber, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gebe, Kindern Bildung vorzuenthalten.
Obwohl auch der Iran diese Konvention unterschrieben hat, können afghanische Kinder in den meisten Fällen nicht zur Schule gehen. Stattdessen gehen sie arbeiten. Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention besitzen die Afghanen im Iran Bürgerrechte. Diese werden jedoch nicht eingehalten. So bleibt ihnen die Aufnahme eines Studiums verwehrt bzw. wird ihnen erheblich erschwert. Die Folgen sind eine abgrundtiefe Enttäuschung und eine tiefe Wunde im Selbstwertgefühl der Afghanen im Iran.
Rassismus und massive Diskriminierungen
Es gibt zwei Gruppen von Afghanen im Iran. Die einen haben eine Aufenthaltserlaubnis und leben legal im Land. Wenn sie studieren wollen, müssen sie – anders als die Iraner – für alle Kosten selber aufkommen. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage ist dies in der Regel aber schlichtweg unmöglich. Viele afghanische Familien sind kinderreich, und die Eltern können nicht alleine finanziell für die Kinder aufkommen, so dass die Kinder mitarbeiten müssen. Gemäß dem „Beschluss über Bildung für ausländische Bürger“ vom Jahr 1388 (Anm. der Red.: morgenländischer Kalender, entspricht 2009) ist eine kostenlose Bildung für sie unmöglich.
Die andere Gruppe sind die Einwanderer ohne Aufenthaltserlaubnis. Ihr Leben ist ein einziger Alptraum. Einerseits müssen sie immer auf der Hut sein, um nicht von Ordnungskräften erwischt zu werden, weil sie sich nicht ausweisen können. Wenn sie gefasst werden, kommen sie in ein Lager. Dort verrichten sie schwere und gefährliche Arbeiten, bei der die Sicherheitsstandards meist nicht eingehalten werden und die nur geringfügig entlohnt werden, so dass sie gerade mal das Überleben sichern. Die iranische Regierung hat eine simple Begründung für ihr Vorgehen: Mit diesen drastischen Maßnahmen (z.B. Schul- und Studienverbot) sollen die Afghanen dazu bewegt werden, in ihr Land zurückzukehren. Dies funktioniert jedoch nicht, und das ist kein Wunder: Die Lage in Afghanistan ist instabil und so unsicher, dass eine Rückkehr keine Alternative ist. Die Afghanen, die teilweise seit Jahrzehnten im Iran leben und den beschriebenen massiven Diskriminierungen und Rassismus ausgesetzt sind, haben inzwischen vergessen, dass man eigentlich zunächst zur Schule und erst dann arbeiten gehen sollte. Da man ihnen seit vielen Jahren dieses Recht vorenthalten hat, glauben sie inzwischen selbst, dass sie kein Recht auf Bildung hätten. Ihnen ist das Selbstbewusstsein, das sie für den Aufbau einer besseren Zukunft bräuchten, vollständig abhanden gekommen.
„Eintritt für Afghanen verboten“
Ich frage mich, warum die iranische Regierung die Schutzsuchenden, die wegen einer höchst unsicheren Lage in ihrer Heimat geflüchtet sind, nicht so behandelt, wie die europäischen Länder es tun und ihnen ein würdiges Leben ermöglicht. Warum hält sich der Iran nicht an sein Versprechen, was die international geltenden Gesetze im Umgang mit Migranten betrifft? Tatsächlich tut die iranische Regierung das Gegenteil von dem, was sie behauptet! Das Argument, dass die afghanischen Migranten im Iran illegal leben, zählt für mich nicht. Auch nach Deutschland sind die meisten Flüchtlinge illegal eingereist. Warum haben sie in Deutschland Rechte, während man sie im Iran sogar ihrer Grundrechte beraubt? Seit Mitte 2015 bis Ende 2016 sind ca. 1,5 Millionen Asylsuchende in Deutschland angekommen. Es kamen Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan, die vor Krieg, Gewalt und Blutvergießen geflüchtet sind. Nach ihrer Ankunft hat die deutsche Regierung trotz vieler Probleme und Schwierigkeiten gemäß dem deutschen Grundgesetz und ihren Verpflichtungen bezüglich der internationalen Menschen- und Asylrechte gehandelt und Wort gehalten: Man gab den schutzsuchenden Menschen neben medizinischer Versorgung auch Zugang zu Bildung. Im Iran ist das Gegenteil der Fall.
Viele afghanische Migranten leben seit 30 Jahren im Iran ein äußerst schwieriges Leben – ohne Aussicht, dass ihre Grundrechte jemals respektiert würden. Das geht so weit, dass ihnen sogar der Eintritt in öffentliche Parks verboten wurde. An den Eingängen habe ich Schilder mit der Aufschrift stehen sehen: „Eintritt für Afghanen verboten“.
Diese Situation habe ich nicht mehr ertragen. Darum bin ich mit meiner Familie nach Deutschland gekommen.
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