Der herausfordernde Alltag der Lehrerin einer Willkommensklasse
Conny Bergengrün unterrichtet seit 2015 die Willkommensklasse der Rudolf Steiner Schule in Berlin-Zehlendorf. Ihr Prinzip ist, die Schülerinnen und Schüler mit jenen aus den Regelklassen zusammenzubringen, damit möglichst schnell Freundschaften entstehen können. Auch wenn es bei einigen etwas länger dauert, lässt sich ihrer Meinung nach durch dieses Prinzip die Integration am wirkungsvollsten umsetzen.
Als Lehrerin für Deutsch und Politik ist sie bereits seit 2006 an dieser Schule. In den Weihnachtsferien 2014 hat sie ehrenamtlich Kinder einer Notunterkunft in Deutsch unterrichtet. Einige von ihnen brachte sie mit an ihre Schule, als 2015 die Willkommensklasse eingerichtet wurde. Sie kennt also beide Seiten und möchte sie stärker miteinander verbinden.
In der Willkommensklasse unterrichtet sie zwar nur dreizehn Schülerinnen und Schüler, aber die Zusammenarbeit ist sehr intensiv. Der Schultag von Frau Bergengrün fängt bereits um 7:30 Uhr an und endet um 13:30 Uhr, allerdings hört ihr Job nicht auf, wenn sie die Schule verlässt. So kommuniziert sie am Nachmittag oft mit ihren Schülern per Whats-App, um ihnen bei ihren Problemen zu helfen. Die Sprache ist häufig das Hauptproblem. Die Eltern der Schüler (wenn sie überhaupt in Deutschland sind) sprechen weder Deutsch noch Englisch, und deswegen besteht ihr Job zur Hälfte aus Sozialarbeit.
Aber auch im Unterricht ist es mit der Sprache schwierig: Denn wie soll sie den Schülern Deutsch beibringen, wenn sie nur ihre eigene Sprache sprechen können?
Die Vorstellungen der Jugendlichen sind ein anderes Problem. Wenn sie in Deutschland ankommen, träumen sie oft davon, Rechtsanwalt, Arzt oder Ingenieur zu werden. Aber das ist ein unglaublich mühsames Ziel, das sie nur sehr schwer erreichen können.
Mit der Disziplin hat sie kaum Probleme, vielleicht nur in Form von Unruhe in der Klasse. Das scheint anderen Lehrern schwererzufallen. Die Pausen empfindet sie als „wild“. Aber sie freut sich über den humorvollen Charakter und das Lachen ihrer Schützlinge. „Ich habe noch nie so eine Klassengemeinschaft erlebt. Die halten zusammen wie Pech und Schwefel“, sagt sie über ihre Schüler.
Nur die Hausaufgaben findet sie, sind eine „Katastrophe“. „Die sind für manchen doch eine große Herausforderung, vor allem bei denen, die im Wohnheim wohnen.“ Bei einigen fehle aber auch die Lernkultur zu Hause. Die Schüler sind über ganz Berlin verstreut. Manche fahren jeden Tag von Wittenau oder Pankow nach Zehlendorf. Mit dem Unterricht scheinen sie zufrieden, dass sie diesen Weg auf sich nehmen. Auch wenn sie es selbst vielleicht nicht direkt merken, so wird das Umfeld in der Waldorf-Schule doch eine große Auswirkung haben.
Für die Zukunft wünscht sich Frau Bergengrün, dass es in der Schule einen wöchentlichen Projekttag gibt, der mehr Begegnungen ermöglicht. Das lässt sich momentan jedoch nur schwer organisieren.