Gott und die Welt

‫‪Foto:‬‬ ‫‪Diana‬‬ ‫‪Juneck
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Wenn ich mir einen Gott vorstelle, dann ist er in mancher Hinsicht ähnlich wie andere Gottheiten, unterscheidet sich jedoch in vielen Punkten auch grundlegend von ihnen.

Um von der Güte meines Gottes zu profitieren, braucht man zum Beispiel nicht an seine Existenz zu glauben, weil er keine Unterschiede zwischen den Menschen macht und niemanden bevorzugt. Die Gesetzmäßigkeiten meines Gottes sind vollkommen und passend für jegliche denkbare Situation. In den Gesetzen meines Gottes sind sogar die Herzenswünsche der Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit berücksichtigt. Nichts wird vergessen, nichts aufgeschoben. Seine Belohnungen und Bestrafungen sind angepasst an die jeweilige Tat, und er handelt unabhängig vom jeweiligen Glauben der Menschen; sie sind in seinen Augen weder Sünder, noch sind sie schlecht, hässlich oder ekelerregend. Ihnen wird weder vergeben, noch wendet er sich allein wegen ihres Glaubens von ihren Fehlern und Taten ab.

Mein Gott macht den Menschen keine Vorhaltungen mit der Begründung, dass er sie erschaffen habe. Er macht ihnen keine Angst vor der Zukunft, droht ihnen zum Beispiel nicht ihre Vernichtung oder ewige Qualen an, weil er nichts erschaffen und in diese Welt gesetzt hat. Nichts und niemand im Universum hat von ihm seine Vernichtung zu befürchten.

Auch mit den Gesetzen der Physik oder anderen Wissenschaften hat mein Gott kein Problem, genauso wenig wie mit Wissenschaftlern, die eine falsche Theorie aufstellen und ihm widersprechen. Er hat kein Ausnahmegesetz erlassen, welches eine bestimmte Person oder Gruppe beschützt, auch dann nicht, wenn diese zu den besten zählt. Er muss sich niemandem beweisen. Er ist nicht darauf angewiesen, von anderen verstanden zu werden. Jeder kann ihn gemäß seines eigenen Verständnisses der Schöpfung kennenlernen und selbstbestimmt leben. Mein Gott hat keine Angst vor Wissen und macht auch keine Propaganda für Unwissenheit. Bei ihm wird nicht derjenige mehr leiden, der mehr versteht und ein Unwissender wird auch nicht als glücklicher angesehen.

Die Gesetze meines Gottes sind so in die Struktur der Schöpfung integriert, dass es bedeutungslos ist, ob sie befolgt oder nicht befolgt werden. Vielleicht bewegt sich die ganze Schöpfung auf bestmögliche Weise in ihre eigene Richtung. Die Welt meines Gottes ist ideal und benötigt keinen Tötungsbefehl oder eine Bereinigung der Rassen. Mein Gott hat keinen offiziellen Gesandten als Anführer der Menschheit mit einem Buch oder einem beglaubigten Zertifikat in die Welt geschickt. Für mich ist Gott das Leben selbst. Daneben gibt es keine anderen Götter.

Dieses einfache Gottesverständnis taugt nicht dazu, Menschen zu unterwerfen und zu beherrschen. Aber ich fühle mich mit diesem Gott wohl und habe nicht das Gefühl, verloren zu sein.

Ich möchte gerne noch mit ein paar Missverständnissen aufräumen, die mir immer wieder begegnen. Nur weil man nicht an einen bestimmten Gott glaubt, heißt das nicht, dass man ungläubig oder zügellos ist. Jede Religion hat für ihren Gott eine besondere Definition, und ihre Anhänger können nicht einfach davon ab- weichen. Wenn jemand zum Beispiel sagt „Gott ist das Gute“, weil er das so denkt, dann ist das seine persönliche Interpretation. Ich finde, Christ oder Muslim kann er sich dann nicht mehr nennen.

Ethik, Moral und Menschlichkeit sind nicht von der Existenz eines Gottes abhängig. Dies beanspruchen viele Religionen jedoch für sich und betrachten sie als die Säulen ihrer Religion.

Ich beschäftige mich nicht mit religiösen Glaubensfragen, Aberglauben oder ähnlichen Dingen. Das heißt aber nicht, dass ich in dieser Hinsicht verschlossen bin oder es mir gleichgültig ist. Letzteres schon deshalb nicht, weil diese Fragen eine wichtige Rolle bei der Erziehung und in anderen Bereichen spielen.

Es gibt Menschen, die nie mit Religion in Berührung gekommen sind und deshalb ungläubig sind. Und es gibt solche, die die existierenden Religionen kennen und sich bewusst und frei dazu entschieden haben, an keine davon zu glauben.
Zu letzteren gehöre ich.

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