Deutscher nach 33 Fragen

Foto: Juliane Metz
Foto: Juliane Metz

Wer würde als Deutscher den Einbürgerungstest bestehen?

Vor vier Jahren habe ich den sogenannten Test „Leben in Deutschland“ im Anschluss an meinen Integrations- und Orientierungskurs abgelegt und mit 32 von 33 Punkten bestanden. Hurra! Das heißt, dass meine Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland erklärtermaßen ausreichen, um deutscher Staatsbürger zu werden. Eine Hürde wäre geschafft. Jetzt muss ich nur noch auf den Ablauf der verlangten Frist (in der Regel acht Jahre) warten und am Ende 255 Euro zahlen.
Eine Voraussetzung dafür, die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen zu können, ist ein Multiple-Choice-Test. Bei diesem muss man innerhalb von 60 Minuten 33 Fragen beantworten, die aus einem Pool von 300 Fragen zusammengestellt sind. Vier mögliche Antworten sind jeweils vorgegeben. Wer mindestens bei der Hälfte der Fragen das Kreuzchen an die richtige Stelle gesetzt hat, hat bestanden.
Von Anfang an kam es mir irgendwie merkwürdig vor, wie ein Test mit nur 33 Fragen, die man ja sehr einfach auswendig lernen kann, nachweisen soll, dass man für die deutsche Staatsbürgerschaft bereit ist. Beweist dieser 33-Fragen-Test tatsächlich, dass ein Mensch gut integriert ist? Ob ein Deutscher selbst die Fragen aus diesem Test wohl fehlerlos beantworten könnte?

Probe aufs Exempel

Um dies herauszufinden, beschlossen wir in der Redaktion, bei einer Straßenbefragung Deutsche mit einer Kurzversion (fünf aus 300 Fragen) des Einbürgerungstests zu konfrontieren. Falls die befragte Person nicht mindestens zwei von fünf Fragen richtig beantworten könnte, würde sie in das Land ihres Großvaters abgeschoben werden. Letzteres ist natürlich ironisch gemeint! Schließlich sind wir keine Abschiebungsbefürworter wie der deutsche Innenminister Thomas de Maizière, der mit seiner Abschiebepolitik das Leben afghanischer Flüchtlinge aufs Spiel setzt.
Für die Befragung fiel unsere Wahl auf das „Interkulturelle Fest“ auf dem Hermann-Ehlers-Platz in Steglitz. Leider erwischten wir einen sehr regnerischen Tag und konnten deshalb nicht so viele Personen befragen, wie wir eigentlich vorhatten. Sechs waren es am Ende insgesamt. Die meisten haben bei unserer Kurzversion des Einbürgerungstests mindestens drei von fünf Fragen richtig beantwortet und somit den Test bestanden. Nur ein Befragter ist leider durchgefallen. Er wurde entsprechend nach Bayern, das Land seines Großvaters, abgeschoben. Ein Polizist, den wir auf dem Fest trafen, konnte alle fünf Fragen richtig beantworten. Als Letztes befragten wir einen Iraner, der seit anderthalb Jahren in Deutschland lebt. Er bestand den Test mit vier von fünf richtigen Antworten und schnitt damit besser ab als unsere deutschen Kandidaten, die seit ihrer Geburt den deutschen Pass besitzen.

Frage Nr. 220

Beim Test gibt es eine Frage, die niemand beantworten konnte, auch nicht der Polizist: die Frage Nr. 220. „Der 27. Januar ist in Deutschland ein offizieller Gedenktag. Woran erinnert dieser Tag?“ Die korrekte Antwort lautet: „An die Opfer des Nationalsozialismus.“ An diesem Tag wurde im Jahr 1945 das KZ in Auschwitz befreit, deswegen ist der 27. Januar ein Gedenktag für die Opfer der Nazis.

Hürdenlauf zum deutschen Pass

Den deutschen Pass zu bekommen ist nicht einfach – der Einbürgerungstest ist bei weitem nicht die einzige Hürde. Absolute Pflicht sind gute Deutschkenntnisse. Man muss außerdem seit mindestens acht Jahren im Land leben, darf nicht straffällig geworden sein und muss nachweisen, dass man genug verdient, um nicht von Sozialleistungen abhängig zu sein. Bei „guten Integrationsleistungen“ kann man bereits nach sechs Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.
Was mich betrifft: Vielleicht kann ich von dieser Ausnahmeregelung profitieren und ja bereits nächstes Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen? Gesetzt den Fall, dass meine Integrationsleistungen von den deutschen Behörden als gut beurteilt werden.

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