Hohe Hürden

Eine Anwältin und ein Chirurg suchen Arbeit in Berlin

Der Weg ist zu lang. Zu viel Zeit brauchst du, um ein Arzt zu sein! Das sagt mein Vater, der Arzt Abdullhalem Hamzeh. Er kommt aus Syrien, ist 51 Jahre alt und hat drei Kinder. Seit zwei Jahren und fünf Monaten lebt er in Deutschland. Er erzählt uns von den vielen Hürden, die er überwinden muss, um als ausländischer Arzt in Deutschland arbeiten zu können.
„Ich machte das Abitur in Syrien, dann bin ich in die Ukraine gefahren, habe dort für ein Jahr die Sprache gelernt und noch weitere sechs Jahre Medizin studiert. Danach bin ich nach Syrien zurückgegangen. In Syrien arbeitete ich 20 Jahre lang als Arzt, acht Jahre als Allgemeinmediziner und zwölf Jahre als Chirurg. 2015 bin ich wegen des Krieges nach Deutschland gekommen. Hier muss ich zuerst die Sprache lernen, mindestens bis zum Niveau B2. Mit dem Zeugnis kann ich dann zum LAGeSo.“

Danach kann er sich zur Fachsprache-Prüfung bei der Ärztekammer anmelden. Sie muss schriftlich und mündlich abgelegt werden. Der Prüfling untersucht einen Patienten und schreibt eine Anamnese. Dann erklärt er alles den Ärzten, die diese Prüfung abnehmen, und sie entscheiden dann, ob er die Prüfung bestanden hat oder nicht.

Ich habe noch gar keinen Plan, was ich hier arbeiten kann

Nach der Fachsprache-Prüfung kann er seine Unterlagen zum LAGeSo schicken. Wenn das alles in Ordnung ist, bekommt er ein Datum für die Approbationsprüfung. Die wird zweimal im Jahr durchgeführt, entweder im Herbst oder im Frühling. Die Prüfungskommission besteht aus drei Professoren: einem Internisten, einem Chirurgen und einem Arzt eines anderen Fachbereichs. Auch hier muss ein Patient untersucht, die Anamnese geschrieben und alles mit den Professoren besprochen werden. Wenn er die Approbation bestanden hat, kann er genau wie ein deutscher Arzt arbeiten. Ansonsten kann er den Test noch zwei Mal wiederholen. Wenn er die Approbation bekommt, kann er sich eine Arbeit im Krankenhaus suchen. Möchte er eine eigene Praxis eröffnen, dann muss er zusätzlich noch fünf Jahre lang als Arzt in einem Krankenhaus gearbeitet haben und danach die Prüfung zum Facharzt machen. Seine frühere Berufserfahrung zählt dabei nicht. Das ist für ihn alles nicht einfach, aber er versucht es.

Randa Almousaly, meine Mutter, kommt ebenfalls aus Syrien und ist seit einem Jahr und neun Monaten zusammen mit uns Kindern in Deutschland. Von Beruf ist sie Anwältin. Auch sie möchte am liebsten wieder in ihrem Beruf arbeiten.
„In Syrien habe ich das Abitur gemacht. Dann habe ich vier Jahre Jura studiert und 1997 mein Studium beendet. Für weitere zwei Jahre habe ich eine Art Praktikum absolviert und war dann sieben Jahre als Anwältin tätig. Danach habe ich beim Finanzministerium im Bereich Steuern gearbeitet. 2015 bin ich dann nach Deutschland gekommen, wo ich gerade die deutsche Sprache lerne. Ich habe noch gar keinen Plan, was ich hier arbeiten kann. Als Ausländerin ist es sehr schwierig, als Anwältin zu arbeiten, weil das Recht und die Gesetze sehr unterschiedlich sind.“

Wenn sie die Sprache bis zum Niveau B2 gelernt hat, hat sie zwar die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Aber vor der dreijährigen Ausbildung muss sie erst noch ein Berufsvorbereitungsjahr machen und kann danach doch nur als Anwaltshelferin arbeiten.

„Ich finde diesen Weg zu schwierig, und die Sprache ist auch nicht so einfach zu lernen. Da habe ich keine Lust, alles noch einmal von vorne zu beginnen! Wenn ich die B1-Prüfung bestehe, werde ich wohl etwas anderes arbeiten, zum Beispiel kann ich mir vorstellen, in einem privaten Projekt mitzuwirken. Aber das ist auch nicht so einfach! Vor allem auch, weil ich seit meiner Kindheit schon immer davon geträumt habe, als Anwältin zu arbeiten.“

Für sie erscheinen die Hürden, zu ihrem Traumberuf zurückzukehren, nicht überwindbar.

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