Auf dem Weg nach Isfahan – Glanzlicht der persischen Kunstwelt

Die Imam-Moschee am Meidan-e Naqsch-e Djahan oder auch Platz des Imam genannt. Foto: Yvonne Schmitt

Bereits in der Früh verschmelzen die Bergschattierungen im diesigen Sonnenlicht zu einer beigegrauen Silhouette. Der Schwerlastverkehr entlang der alten Karawanenstraße verschwimmt in der flirrenden Hitze. Die Haare werden unter dem Kopftuch hochgesteckt, und auch sonst gibt es auf dieser Autofahrt kein Entrinnen aus der auch für Touristinnen geltenden islamischen Kleiderordnung. Zwischen wilden Bergrücken tanzt ein kurdisches Hochzeitspaar unter einem silbrig glitzernden Pappelhain. Und nach 450 Kilometer Autofahrt südlich der Hauptstadt Teheran öffnen sich inmitten dieser scheinbaren Einöde in den grünen Oasenstädten paradiesische Gärten, und es stechen türkisfarbene Kuppeln hervor, gerade so, wie sie der alteingesessene Meister der Miniaturmalerei, zum Beispiel Hossein Fallahi aus Isfahan, in klassischer Manier mit feinem Pinselstrich zeichnet. Er hält die alte Kaiserhauptstadt, die die Safawiden-Dynastie zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert zu ihrer Residenz ausbauen ließ und deren Altstadt seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, mit ihren feinen Zedernholzpalästen, den prächtigen Moscheebauten und den nächtlich erleuchteten Brücken für immer fest.
Bereits im Partherreich (3. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.) war Isfahan unter dem Namen Aspadana, Hauptstadt der Provinz Oberpersien, bekannt. Aber unter dem Safawidenkaiser Schah Abbas I. (1588-1629) erlangte Isfahan die Bedeutung, die ihr den bis heute geltenden Beinamen
„Nesf-e Djahan – Die halbe Welt“ eintrug. Er hat so viele Palastanlagen, üppige Gartenparadiese und Moscheen in der Stadt am Zayandeh-Rud, dem Ewigen Fluss, errichten lassen, wie kein anderer Herrscher zuvor. Er war ein Kunstmäzen, der die versiertesten Kunsthandwerker anwerben und mit seinen Architekten ein harmonisches Gefüge aus Kaiserpalästen, Moscheen, Gartenanlagen und Handwerkervierteln anlegen ließ.
Es ist ein lauer Freitagabend, und auch wir werden von den beleuchteten Brücken der Stadt angezogen. Die Iranerinnen und Iraner freuen sich am Wochenende auf ihr Picknick am Fluss, von wo man auf die beleuchteten dreiunddreißig Arkadenbögen der Si-o-seh-pol („Brücke der dreiunddreißig Bögen“) schaut, in denen heute junge Menschen in kleinen Teehäusern zusammensitzen und dem Wasserspiel zuschauen. Überquert man die Brücke, erreicht
man Djolfa, das armenische Christenviertel, mit Kirchen, Museum und Friedhof. Neben dieser Brücke wurden in der Safawidenzeit zur Verstärkung der Verkehrswege weitere Brücken errichtet wie z. B. die Pol-e Khadju, die gleichzeitig als Schleuse und Staudamm diente, womit die kaiserlichen Gartenanlagen und Alleen bewässert wurden.

Das Eingangsportal der Imam-Moschee. Foto: Yvonne Schmitt

Am nächsten Morgen geht es neben der bedeutenden Freitagsmoschee aus dem 7. Jahrhundert. natürlich zum Mittelpunkt Isfahans, dem Kaiserplatz, dem Meidan-e Schah oder Naqsch-e Djahan („Darstellung der Welt“), um den Residenzen, Moscheen und Basare erbaut wurden. Mit seinen 512 Metern Länge und 164 Metern Breite ist er siebenmal so groß wie der Markusplatz in Venedig und wird im 17. Jahrhundert vom ersten Forschungsreisenden, dem Naturwissenschaftler Engelbert Kämpfer aus Lemgo, als der schönste Platz der Welt bezeichnet. Kutschen fahren den Besucher umher, hier sind Autos verboten.

Zweistöckige Arkaden umrahmen das riesige Rechteck, hinter denen sich die Läden des Basars anschließen. Der Platz war früher ein Feld für Polospiele, denen der Schah von seinem Palast Ali Qapu (Hohe Pforte) zuschaute. Der heutige Park und das Wasserbecken mit Springbrunnen wurden unter dem Vater des letzten Schah Mohammed Reza 936 angelegt. Südwestlich gegen den Fluss schloss sich damals die Residenz an, die von prachtvollen Parks umgeben war. Als Hauptachse wurde eine Allee angelegt, gesäumt von mehreren Reihen schattenspendender Platanen, unterbrochen von Teichen und flankiert von vier Parks, die der Allee den Namen gaben: Tschahar Bagh („Vier Gärten“). Die zweistöckigen Arkaden verbinden auf harmonische Weise die vier prachtvollen, halbmondförmigen Bauten, die das große Rechteck überragen: Im Süden die Imam-Moschee, im Osten die Scheikh Lotfollah Moschee, im Westen der kaiserliche Palast, Ali Qapu, der in seinen vier Stockwerken eine grazile Säulenhalle, farbenfrohe Wandmalereien, eine Holz-Kassettendecke, die mit ihren Intarsien an feine persische Teppiche erinnert, aufbietet. Im Norden hinter seinem großen Eingangsportal, der Qaisarieh, schließt sich der kaiserliche Basar an.

Wir können unseren Blick nur schwer von den herrlichen Mosaiken, der Ranken- und Arabeskenornamentik, mit denen die Moscheekuppeln überzogen sind, den feinen Kalligraphiefriesen, die die Eingangsportale beider Moscheen umrahmen, dem farbenprächtigen Fliesenhandwerk, das wie ein Tropengewölbe über den Eingangsportalen zu schweben scheint, lösen. Und die Kuppeln im Innern deuten ein Himmelszelt an, das einem riesigen, fein ornamentierten Wabennetz gleicht. Das Licht bricht sich in den mit Fayencegittern ausgestatteten Fenstern, die zur Belichtung des Kuppelbaues dienen. Diese Bauten sind Meisterwerke persischer Keramikkunst, vor denen man staunend verweilt.
Und wie schön ist es erst, in der Dämmerung in einer Teestube im ersten Stock der Arkaden der langsam stärker werdenden Beleuchtung dieses architektonischen Gesamtkunstwerks zuzuschauen, Tee zu trinken und mit jungen Kunststudentinnen der Universität zu plaudern, die tagsüber ihre Staffeleien an den „Juwelen“ dieser Stadt aufgestellt haben. Und dann schwärme ich davon, dass es noch so einiges zu entdecken gibt: den grazilen, auf 20 Holzstützen ruhenden Thronsaalpalast Tschehel Sotun (Palast der vierzig Säulen, da sich seine zwanzig Säulen im Bassin davor spiegeln), den Hasht Behescht Palast („Palast der acht Paradiese“) und noch viel mehr. Und spätestens dann weiß jeder, warum Isfahan zu jeder meiner Iranreisen dazugehört.

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