… und jetzt? Was uns bewegt

Das Besondere am neuen Gesamtkonzept ist die Beteiligung von Akteuren aus unterschiedlichsten Bereichen. kulturTÜR hat am Rande der Präsentation einige von ihnen gefragt, was ihnen für die Umsetzung des Konzeptes besonders am Herzen liegt und um einen kleinen Blick in die Zukunft gebeten.

  1. Welches Thema liegt Ihnen für die Umsetzung von Integration und Partizipation besonders am Herzen?
  2. In welchen Bereichen sehen Sie die größten Herausforderungen?
  3. Wenn Sie in zehn Jahren zurückblicken, woran sehen Sie, dass Ihre Ziele umgesetzt sind? Was hat sich konkret verändert?

Foto: Hareth Almukdad

Elke Breitenbach, Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Senatsverwaltung

1 Also auf ein Thema kann ich mich da gar nicht beschränken. Ich finde Bildung extrem wichtig, den Zugang zu Arbeit und Ausbildung, aber auch Wohnung… Und ich finde es auch extrem wichtig, dass der Zugang zu den Behörden funktioniert…
2 Große Herausforderungen sehe ich im Bereich Arbeit und Ausbildung. Das hat sich ja alles positiver entwickelt, als die Prognosen waren. Wir müssen aber feststellen, dass noch ganz viele der Geflüchteten im Niedriglohnbereich arbeiten. Deshalb freue ich mich sehr, dass jetzt so viele junge Geflüchtete eine Ausbildung machen wollen. Das ist ja eine der Grundvoraussetzungen, mal besser zu verdienen.
3 Wenn ich zehn Jahre weiterdenke, dann gehe ich davon aus, dass die Menschen eine Arbeit haben, von der sie leben können. Dass Geflüchtete eine eigene Wohnung haben … und sie in dieses System eingebunden sind, das sich für Menschen unterschiedlicher Kulturen geöffnet hat. Wir sind alle zusammen Berlinerinnen und Berliner, die aktiv diese Stadt gestalten und friedlich miteinander leben.


Foto: Hareth Almukdad

Issa Khatib, Mitarbeiter Arrivo Übungswerkstätten / S27 – Kunst und Bildung

1 Bildung steht für mich an erster Stelle. Ich gehöre zur Schlesischen 27, und da kümmern wir uns um Ausbildung für Geflüchtete.

2 Der normale Zustand passt für viele nicht. Zum Beispiel schaffen viele unserer Auszubildenden ihr Schuljahr nicht. Wie kann man damit umgehen? Was muss passieren, damit sich das ändert?

3 Wenn jeder, der zu uns kommt, einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeit hat, dann haben wir es auch geschafft.

 

 


Foto: Hareth Almukdad

Miriam Camara, Moderatorin / Geschäftsführerin AKOMA Bildung & Kultur

1 Mir liegt es grundsätzlich am Herzen, dass Menschen, die von Konzepten, Regeln, Gesetzen betroffen sind, an deren Ausarbeitung mitwirken können. Dass ihre Realitäten berücksichtigt werden und zwar durch sie selbst, das heißt, dass mit ihnen ins Gespräch gegangen wird, es auch ernst genommen wird und tatsächlich in die Texte eingeht und dann auch in Maßnahmen, die daraus folgen. Die größten Herausforderungen liegen im geltenden Asylrecht. Das ist auch das Problem, denn es muss sich alles im Rahmen von geltendem Recht und Gesetz bewegen, und die Gesetze sind immer einschränkender, stringenter geworden für Menschen, die in Deutschland Asyl suchen. Und der Weg, Gesetze zu ändern, ist lang und beschwerlich.

2 Dass wir nicht mehr Gesetze und Konzepte für einzelne, marginalisierte Gruppen aufsetzen, sondern dass wir tatsächlich von einer inklusiven Stadtgesellschaft ausgehen und das Konzept der Inklusion ganzheitlich sehen, auf alle Menschen, die in der Stadt, im Land leben.

3 Wenn wir in zehn Jahren noch einmal auf heute schauen, dann wünsche ich mir, dass wir ein bisschen weniger von den Geflüchteten, den Migranten und den Deutschen – wie auch immer sie dann definiert werden – reden, also, dass wir weniger von diesen Gruppen als ausschließende Kategorien sprechen.


Foto: Hareth Almukdad

Dr. Ibrahim Alsayed, Vorstandsvorsitzender Salam e.V.

1 Partizipation und Teilhabe von Geflüchteten ist für mich besonders wichtig. Dass Geflüchtete nicht mehr über den Aspekt der Sicherheit definiert werden, sondern als normaler Teil der Gesellschaft gesehen werden, als Berlinerin und Berliner, das fände ich einen Schritt nach vorne!

2 Integration ist ein Prozess, der nicht ein, zwei Jahre, sondern viel länger dauert. Da gibt es spezifische Bedürfnisse, die berücksichtigt werden müssen. Von diesen Bedürfnissen müssen wir ausgehen. Ein Beispiel sind Sprachkurse für Frauen mit Kinderbetreuung. Da können auch von Geflüchteten selbst gegründete Initiativen berücksichtigt werden.

3 Wir sollten den Mehrwert sehen, zum Beispiel bei der Sprache: Geflüchtete Kinder können gleichzeitig ihre Muttersprache und Deutsch sprechen. Sie wachsen mehrsprachig auf. Und das ist Mehrwert für uns alle. Das muss auch als solcher gesehen werden.


Foto: Thomas Luthmann

Christian Lüder, Initiator von Berlin hilft

1 Eindeutig das Thema „Ankommen und Bleiben“. Die Registrierung, Versorgung und Unterbringung geflüchteter Menschen sind für mich persönlich die entscheidenden Themen, mit denen ich mich auch täglich beschäftige.

2 Oftmals ist bei den Unterkünften, die für Geflüchtete errichtet wurden und werden, die sozialräumliche Vernetzung nicht gegeben. Die Standorte werden danach gewählt, wo es Grundstücke gibt, und nicht danach, wo es Kitas, Schulen oder ein Schwimmbad gibt. Und so gibt es häufig keinerlei sozialräumliche Anbindung. Daraus resultieren logischerweise eine Menge Schwierigkeiten. Aber wir kennen die schwierigen Verhandlungen um die Grundstücke mit den Bezirken.

3 Das hängt auch von Fluchtzahlen ab, wie die sich verändern. Ich glaube aber, dass diese sich nicht drastisch nach unten entwickeln werden, der Bedarf wird unverändert da sein. Die Gesellschaft, zumindest der Großstädte, wird sich weiter verändern, und die Strukturen müssen sich entsprechend ändern. Ich hoffe, dass wir in zehn Jahren weiter sind. Letztendlich tun wir ja aktuell nicht nur etwas für geflüchtete Menschen, sondern auch für alle anderen, die sich benachteiligt fühlen. Die Themen sind ja für viele Menschen immer die gleichen, man denke nur an bezahlbare Wohnungen, Kitaplätze und Schulen.


Foto: Juliane Metz

Shahla Payam, Vorstand der Initiative Selbständiger Immigrantinnen e.V. (ISI)

1 Oh, da kann ich mich ganz schwer entscheiden – ich bin ja im Vorstand von ISI e.V., einer Selbsthilfeorganisation von Migratinnen für Migrantinnen, daneben engagiere ich mich aber bereits seit 30 Jahren für geflüchtete Menschen, beruflich und ehrenamtlich. Generell interessiere ich mich für alle Bereiche. Aber die Stärkung von Frauen liegt mir ganz besonders am Herzen.

2 Tatsächlich finde ich die Herausforderungen für Frauen ganz besonders groß, und zwar in allen Bereichen, sei es, was ihre Aufgaben in der Familie und auf dem Arbeitsmarkt angeht oder auch, was ihre Gesundheit angeht.

3 Ich hoffe und glaube, dass es noch sehr viel mehr Selbstorganisationen geben wird. Dies muss allerdings auch aktiv von der Politik unterstützt werden. Auch sollte die Rolle der Frauen bis dahin eine stärkere sein: mehr Frauen in Politik und Bildung, aber auch in Führungspositionen. Die aktuelle Bestandsaufnahme ist ziemlich frustrierend, aber man darf nicht resignieren, sondern sollte weiter darum kämpfen und daran glauben.


Foto: Hareth Almukdad

Haldun Canulat, Student der Öffentlichen Verwaltung und Praktikant im Rathaus Pankow

1 Der Zugang zu Arbeit und die interkulturelle Öffnung sind für mich am wichtigsten.

2 Die größte Herausforderung sehe ich im öffentlichen Dienst. Wenn ich zum Beispiel in die Schulen schaue, dann sehe ich in den Klassenzimmern (bei den Schülern und Schülerinnen) sehr viel Heterogenität. Dagegen ist im Lehrerzimmer das Bild sehr homogen.

3 Ich wünsche mir mehr Vielfalt. Wir haben heute gesehen, dass wir damit noch am Anfang stehen. Vor allem auch im öffentlichen Dienst muss mehr interkulturelle Öffnung stattfinden.

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