Nach der Absetzung des Militärdiktators Omar-al-Baschir kommen Muslime und Christen im Sudan wieder zusammen
Der Sudan ist ein afrikanisches Land mit vielen verschiedenen Stämmen und Kulturen. Neben der religiösen Mehrheit der Muslime gibt es auch eine christliche Minderheit im Land, die vor allem im heutigen Südsudan ansässig ist. Lange Zeit lebte die christliche Bevölkerungsgruppe des Sudans in Frieden und gegenseitiger religiöser Toleranz mit den Muslimen. Dies änderte sich, als der Revolutionäre Kommandorat zur Nationalen Rettung unter der Führung von Omar al-Baschir 1989 die Macht im Land übernahm und den Christen den Krieg erklärte. Am Ende dieses Religionskonflikts stand die Trennung des Südens vom Norden des Sudans, wobei trotz dieser Trennung auch im nördlichen Teil Christen verblieben sind. Aber der Reihe nach.
Für Hunderte von Jahren war es gerade das friedvolle Zusammenleben von Muslimen und Christen, das den Sudan ausmachte.
So war es ein Bischof der anglikanischen Kirche, Llewellyn Gwynne, der 1902 die erste Schule für Mädchen im Sudan gründete. Im Jahre 1923 öffnete dann ein koptisches Mädchen-College seine Pforten, das von Christinnen und Musliminnen gleichermaßen besucht werden durfte – eben als Zeichen religiöser Toleranz. Ebenso wurde der erste Rückzugsort für Koranunterricht von einem Christen namens Bolis errichtet*.
Auf der anderen Seite unterstützte auch umgekehrt die muslimische Bevölkerung die christlichen Vereinigungen. Zum Beispiel wirkte sie beim Bau von Kirchen mit, setzte sich für Glaubensfreiheit ein und pflegte den Kontakt zur christlichen Bevölkerung. Zudem feierten die Muslime die religiösen Feste der Christen mit – etwa Weihnachten, das ein offizieller Feiertag im Sudan ist und zu dessen Anlass die Straßen geschmückt und verschiedene Feste veranstaltet werden. Auch das Fest Scham en-Nessim, mit dem der Frühlingsbeginn gefeiert wird und das alljährlich auf den koptischen Ostermontag fällt, begingen Muslime und Christen stets Seite an Seite, sodass man fast hätte meinen können, dass ein und dieselbe Religion sie miteinander verband.
All das änderte sich mit der Machtübernahme durch den Militärdiktator Omar al-Baschir. Unter seiner Herrschaft waren die Christen zunehmend Schikanen, Ausgrenzungen, Verhaftungen und Rechtsverletzungen ausgesetzt. Die Zustände verschlimmerten sich derart, dass der Sudan schließlich sogar geteilt wurde. Die Gründung der Milizen des Nordens und des Südens erfolgten jeweils bedauerlicherweise auf religiöser Grundlage.
Mit dem Ausbruch der letzten Revolution gegen den Diktator in diesem Frühjahr stand die gesamte Bevölkerung wieder geschlossen zusammen und überwand die Differenzen und Spaltungen, die vom Diktator während der Jahre davor angeheizt wurden. Deutlich erkennbar war das am Platz Midan al-Itisam, auf dem sich die Demonstranten versammelten, um die Regierung zu stürzen.
Muslime wie Christen kamen dort wie Brüder und Schwestern zusammen und zeigten dabei mit zahlreichen Gesten, was Toleranz bedeutet.
Beispielsweise wurden die Muslime während ihres Freitagsgebets von den Christen beschützt, indem diese sich auf dem Platz in einem Kreis um die Betenden herum aufstellten, um sie so vor den Angriffen von al-Baschirs kriminellen Streitkräften zu verteidigen. Außerdem hatten viele Christen einen Sonnenschirm dabei, mit dem sie die Betenden vor der sengenden Sonne bis zum Ende des Gebets schützten. An den Sonntagen wiederum wurden am Platz christliche Gebete und Lieder vorgetragen.
Was der Diktator geteilt hatte, fand durch die Revolution wieder zusammen. Sie sollte der Tyrannei im Land endlich ein Ende setzen, die jeden einzelnen von uns betraf, ganz gleich, zu welcher Religionsgruppe oder welchem Stamm er gehörte. Die Hoffnung und der Traum von einem Land, in dem alle Platz haben, hat die Menschen wieder vereint.
Die Politik der Tyrannen ist eine Politik der Separation, eine, die Menschen ausgrenzt. Die Tyrannen teilen das Volk nach Religions- und Stammeszugehörigkeit, damit sie es unterwerfen und beherrschen können. Die Demonstranten am Midan al-Itisam aber widersetzten sich und riefen im Chor: „Die Religion ist für Gott, das Land ist für alle.“
Ich wünsche mir für mein Land Stabilität und dass dort ein Leben in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit möglich ist. Ich wünsche mir, dass alle gleichermaßen als Bürger behandelt werden, ganz unabhängig davon, welchen ethnischen oder religiösen Hintergrund man hat.
Aus dem Arabischen übertragen von Melanie Rebasso.
* Bolis und seine Familie unterstützten und leiteten diesen Ort im Viertel Bait alMal in der Stadt Omdurman von 1884 bis 1943.
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