Die sudanesische Revolution, an deren Ende der Sturz von al-Bashirs 30-jähriger Regierung stand, wurde von einem ganz besonderen Glanz begleitet: jenem der Töchter des Landes, die Seite an Seite mit den Männern demonstrierten. Sie, die Frauen des Sudans, waren die Antriebskraft der Revolution und die Schlüsselfiguren der friedlichen Demonstrationen. Sie waren es, die ganz vorne die Demonstrationszüge anführten und dabei mit ihrer lautesten Stimme protestierten. Die gleiche Stimme, die von der despotischen Regierung in all den Jahrzehnten davor unterdrückt wurde, erklang nun in zahlreichen, mit vereinten Kräften auf den Straßen lautstark gesungenen National- und Revolutionsliedern, die die Leute in Begeisterung versetzten. Für ihren Widerstand gegen das repressive Militär mussten die Frauen allerdings einen hohen Preis bezahlen: Sie wurden angeschossen, verhaftet, geschlagen, und viele von ihnen mussten ihren Protest sogar mit dem Leben bezahlen. Dennoch marschierten sie stets furchtlos in den vordersten Reihen der in den meisten sudanesischen Städten stattgefundenen Proteste mit und skandierten: „Tasqut bas“ – „Stürz doch endlich!“. Dass sie dies so konsequent und mutig taten, erstaunte umso mehr, da auf die sudanesische Frau stets abwertend hinabgesehen wurde.
Die aktive Teilnahme der Frauen an dieser Revolution stellte einen Wendepunkt in der Geschichte der sudanesischen Frauenbewegung dar. Ihr ging ein jahrelanger, erstaunlich hartnäckiger Kampf der Frauen im Sudan für ihre Rechte voraus, derer sie während der 30-jährigen repressiven Gewaltherrschaft unter dem Vorwand des „Schutzes der öffentlichen Ordnung“ beschnitten wurden. So hat das Regime mit ebendiesem Argument des Schutzes der öffentlichen Ordnung jegliche Frauenrechte durch repressive Gesetze eingeschränkt, die den Frauen in Form von Vorschriften in Bezug auf Kleidung, Reisen und Arbeit auferlegt wurden.
Mit dem von der sudanesischen Initiative „Nein zur Unterdrückung der Frauen“ organisierten Protest vor dem Justizministerium am 20. April 2019 sollte endgültig zum Ausdruck gebracht werden, dass die Frauen des Sudans die frauendiskriminierenden Gesetze nicht länger hinnehmen würden. Dabei stellten die Demonstrantinnen auch Forderungen wie Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Mit Schildern und unter Protestrufen forderten die Frauen die Machtübergabe des Regimes. Als Reaktion darauf wurden sie vom Militär mit Peitschen geschlagen, angeschossen und mit Tränengas angegriffen. Viele Demonstrantinnen wurden festgenommen, und während der Haft hat man ihnen als Strafe die Haare abgeschnitten und sie sowohl körperlich als auch seelisch misshandelt. Das alles aber bestärkte die Frauen nur noch mehr in ihrem Widerstand und in ihrer Entschlossenheit, weiter gegen die Unterdrückung zu kämpfen.
Während der Sitzblockade vor dem Hauptquartier der Armee ab April 2019 hielten sich die Frauen auch in den Protestlagern vor dem Armee-Hauptquartier auf, wo sie in Aktionen auf ungerechte Gesetze und Gewalt gegen Frauen hinwiesen und diese auch veröffentlichten oder Kinder unterrichteten, denen der Zugang zu Bildung aufgrund von Armut verwehrt blieb. Sie halfen bei der Essenszubereitung, versorgten Verletzte und Kranke, während die Männer Blockaden zum Schutz der Protestzone errichteten, sich bei deren Bewachung abwechselten, immer wieder gegen die Absperrungen schlugen, um mit Lärm auf ihren Protest aufmerksam zu machen, sich um Wasser und Lebensmittel für die Demonstrierenden kümmerten, neue Protestorte organisierten und für deren Reinigung sorgten.
Dann kam der 3. Juni 2019, jener Schicksalstag, an dem die Sitzblockaden von den Dschandschawid-Milizen, der Polizei und den Sicherheitskräften mit Gewalt aufgelöst wurden, ein Tag des Massakers. Ohne jedes Erbarmen töteten sie Frauen, schossen auf sie, misshandelten und vergewaltigten sie. Doch auch damit waren die Frauen in ihrer Entschlossenheit nicht zu brechen, im Gegenteil: Nun strömten sogar die Hausfrauen und die Alten in Scharen von allen Seiten auf die Straße, um ihrer Wut Luft zu machen.
Nach neun Monaten Protest gelang es dem sudanesischen Volk schließlich, das repressive Regime zu stürzen. Oppositionelle und Militär einigten sich auf eine Übergangsperiode mit einer Übergangsregierung, in die auch fünf Ministerinnen berufen wurden. Es bleibt zu hoffen, dass bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022 auch Frauen unter den Kandidierenden sein werden. Es lebe der Kampf um Gleichberechtigung der Frauen im Sudan!
Der Artikel wurde von Melanie Rebasso aus dem Arabischen ins Deutsche übertragen.
Das Foto ist aus dem Internet.
Wer das Bild tatsächlich fotografiert hat,
lies sich leider nicht ausfindig machen.
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