Familienberatung auch in Corona-Zeiten

Menschen aus vielen Ländern und Kulturen wenden sich an die Berliner Erziehungs- und Familienberatungsstellen. Diese werden von verschiedenen Trägern angeboten – ich selbst war als Teamassistentin im Steglitzer Haus der Familie (DRK Berlin Südwest gGmbH) tätig und bin jetzt nach meinem Umzug bei der Beratung + Leben GmbH.

Unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion und Lebensanschauung werden Familien von erfahrenen Psycholog*innen und Sozialpädagog*innen beraten – kostenfrei und diskret und immer zum Wohle der Kinder. Manche Einrichtungen bieten fremdsprachige Beratungen an[1], oder die Familien werden gegebenenfalls von sprachkundigen Angehörigen oder erfahrenen Dolmetschern begleitet.

Schwangere bekommen soziale, psychologische und bei Bedarf Konfliktberatung. Wie lassen sich beispielsweise Studium und Elternschaft verbinden? Welche Regelungen zur Elternzeit können genutzt werden? Was tun, wenn die Beziehung zerbrochen ist und der Status Alleinerziehende Ängste auslöst? Für sozial bedürftige Familien, oft mit Migrationshintergrund, werden Anträge auf finanzielle Beihilfen bei Stiftungen gestellt.

In der Familienberatung werden psychologische, pädagogische und ggf. therapeutische Fragen besprochen, zu Konflikten in der Pubertät, Schwierigkeiten in der Schule oder Überforderung junger Eltern. Es gibt Paar- und Trennungsberatungen. Einen immer größeren Raum nehmen Beratungen zum Umgang mit ihren Kindern ein, wenn sich getrennte Eltern kaum noch sachlich darüber verständigen können.

Auch geflüchtete Familien suchen Rat: Eine afghanische Mutter lebt mit ihren drei Töchtern seit drei Jahren in Deutschland. Endlich ist auch ihr Mann nach Berlin gekommen, doch die langersehnte Familienzusammenführung wird zum Albtraum, weil der patriarchalische Anspruch des am neuen Wohnort noch unsicheren Vaters kaum mehr zum emanzipierten Lebensstil der vier weiblichen Angehörigen passt, die gut in der hiesigen Gesellschaft angekommen sind und Freunde gefunden haben.

Alle diese Fragestellungen sind kompliziert genug. Doch seit einigen Wochen stellen die Risiken, Ängste und Beschränkungen durch das Virus COVID-19 eine zusätzliche Herausforderung dar. Was hat sich dadurch geändert?

Zunächst mussten die Familien mit der Corona-Krise und ihren direkten Folgeerscheinungen klarkommen. Angesichts der kaum fassbaren Gefahr rückte alles andere in den Hintergrund. Es gab einen gemeinsamen Gegner, den es zu bezwingen galt. Viele zerstrittene Eltern „rauften sich zusammen“ und sorgten gemeinsam für das bedrohte Wohl ihrer Kinder.

Doch dann kamen die alten Probleme wieder und eventuell neue hinzu. Home-Office, Home-Schooling, den ganzen Tag auf engem Raum zusammen sein: Das führte zu Spannungen, bot aber auch die Chance für gemeinsames Lernen, Kochen und Spielen, gegenseitige Einblicke in Wünsche und Träume, familiäre Spaziergänge und Naturerkundungen.

Manche Schwierigkeiten verschärften sich, und viele Familien wandten sich erneut oder zum ersten Mal an die Familienberatungsstellen. Durch das Kontaktverbot durfte es anfangs keine direkten Beratungsgespräche vor Ort geben, sondern nur telefonische oder Online-Beratungen.

Das ist etwas ganz anderes. Am Anfang mussten sich beide Seiten, Berater*innen und Eltern, überwinden, sich übers Telefon zu verständigen. Als aber klar wurde, dass sich die Sache länger hinziehen würde, nutzten immer mehr Familien diese Möglichkeiten.

Freilich bleiben diese ein Kompromiss, denn es fehlen wichtige Aspekte: die Mimik der Beteiligten und die besondere Atmosphäre des Raumes. Ist es am Telefon vielsagend still, kann man nur vermuten oder muss nachfragen, was am anderen Ende der Leitung passiert. Manchmal weint jemand still vor sich hin, ist erschüttert, erleichtert oder innerlich abgeschweift. Die Distanz zwischen Berater*innen und Ratsuchenden ist durch das „filternde“ Medium größer.

Es hat aber auch gute Seiten: Bei einer Konferenzschaltung mit (z. B. hochstrittigen) Paaren sind die jeweiligen Partner*innen gezwungen zuzuhören, ohne sofort reinzureden oder zu kommentieren. Mitunter geht es konstruktiver zu als bei direkten Begegnungen.

Inzwischen laufen auch persönliche Beratungen wieder an, und noch immer greifen Ratsuchende auf hilfreiche Tipps und Hinweise für die Zeit der Corona-Pandemie auf der Website unserer Beratungsstelle zurück: Anregungen für Eltern, ein 7-Tage-Partnerschaftsprogramm, Beruhigungs- und Entspannungsübungen zur Krisenbewältigung für Familien, Mutmach-Gedanken (https://beratung.immanuel.de/was-wir-tun/familienberatung/).

Oft hilft es, die subjektive Wahrnehmung zu hinterfragen, um den Blick auf scheinbar festgefahrene Familienprobleme zu verändern und neue Lösungsansätze zu finden. Die Mitarbeiter*innen der Erziehungs- und Familienberatungsstellen unterstützen Eltern dabei, ihre Ressourcen zu entdecken und noch besser zu nutzen, damit Kinder sich auch und gerade in Krisenzeiten wohlfühlen können.

Kontakt im Südwesten:
Erziehungs- und Familienberatung, DRK Berlin Südwest gGmbH,
Telefon 030 / 790 11 30 oder familienberatung@drk-berlin.net

Kontakt im Nordosten:
Immanuel Beratung Pankow, Beratung + Leben GmbH,
Erziehungs- und Familienberatung, Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung
Telefon 030 / 473 39 20 oder beratung.pankow@immanuel.de
(mit Außenstellen im Prenzlauer Berg/Helmholtzplatz und Berlin-Buch)

[1]          Konkrete Informationen, auch zu fremdsprachigen Angeboten, sind unter efb-berlin.de zu finden, z.B. Beratung in Farsi: Neukölln, Spandau. Beratung in Arabisch: Neukölln, Spandau, Tempelhof-Schöneberg. In den meisten Einrichtungen werden Beratungen in Englisch angeboten.

 

Geschrieben von
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