Von Hirten zum sudanesischenKriegsfürsten
Mohamed Hamdan Dagalo, auch unter dem Namen „Hamidati“ bekannt, stammt aus Nord-Darfur im Sudan. Noch in der Grundschule ging er von der Schule ab, um als Kamelhirte zu arbeiten und sich gemeinsam mit seinen Cousins dem Verkauf von Kamelen zu widmen. Der Kamelhandel führte sie über eine Wüstenstraße nach Libyen, wo sie die Kamele verkauften und Stoffe erwarben, mit denen sie dann am heimischen Markt im Sudan handelten.
Hamidati und seine Cousins verdienten sich über viele Jahre auf diese Weise ihren Lebensunterhalt – bis ihnen ihr Weg durch die Wüste von Aufständischen und Wüstenbanden erschwert wurde, die auch vor Raub und Mord nicht zurückschreckten. Zum Schutz ihrer Handelskarawanen vor den Wüstenbanden legten sich Hamidati und seine Begleiter also Waffen zu. Es war auch während dieser Zeit, nämlich im April 2012, als Bergarbeiter in den Hügeln von Jebel Amer, in der vom Stamm der Beni Hussein bewohnten Region el-Sareif im Norden Darfurs, auf Gold stießen. Hamidati und seine Leute, die mit ihren Karawanen auf ihrem Weg nach Libyen diese Region durchquerten, beanspruchten den Goldfund für sich und besetzten das Gebiet Jebel Amer.
Bald darauf verdienten sie am Verkauf des Goldes, kauften sich davon Waffen und Fahrzeuge und errichteten eine eigene Truppe an Streitkräften, die auf den Namen „Rapid Support Forces“ getauft wurde. Die „Rapid Support Forces“ sollten zur Verteidigung des von Hamidati und seinen Leuten besetzten Gebiets dienen und wurden vom früheren Präsidenten al-Bashir und dessen Verbündeten unterstützt, die sich mit Blick auf ihre eigenen Interessen ebenfalls des Goldes in den Hügeln von Jebel Amer bemächtigten. So verkauften sie es heimlich an die Vereinigten Arabischen Emirate und ließen sich das Geld dafür auf ihre privaten Bankkonten auszahlen, während das sudanesische Volk von Armut und dem wirtschaftlichen Verfall im Land geplagt war.
Die Verbindung zwischen al-Bashir und Hamidati ging aber über ihre gemeinsamen Goldgeschäfte hinaus; al-Bashir versorgte Hamidatis Streitkräfte mit Waffen und Munition und bat ihn, gegen die Aufständischen in Darfur vorzugehen. Damit war der Anfang eines fürchterlichen Krieges eingeläutet, bei dem Hunderttausende ermordet, Millionen vertrieben, ganze Dörfer niedergebrannt, die Bevölkerung gefoltert, Frauen vergewaltigt und die gesamte Region mit Gewalt unter ihre Herrschaft gebracht wurde. Die „Goldhügel“ in Jebel Amer galten dabei als strategisches Gebiet, das aufgrund der dortigen Goldvorkommen den politischen Konflikt im Sudan – insbesondere nach der Abspaltung des ölreichen Südens im Jahr 2011 – weiter angefacht hat.
Das Blutgemetzel setzte sich bis zum Dezember 2018 fort, als die ersten Anzeichen einer sudanesischen Revolution gegen die Regierung al-Bashir aufflackerten und der ehemalige Präsident abermals Hamidati und dessen Streitkräfte herbeirief, um die Revolution niederzuschlagen. Die für ihre besondere Brutalität gefürchteten Streitkräfte nahmen daraufhin die gesamte Hauptstadt ein und versetzten mit Mord und Folter an Hunderten Demonstranten die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Schon davor hatte Hamidatis Miliz Kriegsverbrechen in der Region Darfur begangen, auch die Proteste vor dem Armee-Hauptquartier in Khartum während der letzten Revolution wurden von Hamidatis Streitkräften auf grausame Weise niedergeschlagen und dafür Hunderte von Toten in Kauf genommen.
Dennoch sollte die Revolution von Erfolg gekrönt sein. Hamidati seinerseits wechselte die Fronten und schloss sich den Demonstranten an, um al-Bashir zu stürzen und sich selbst eine souveräne Position zuzuschanzen. Mithilfe der Emirate, mit denen er gemeinsame Interessen teilt – Hamidatis Miliz kämpft etwa im Jemen auf der Seite Saudi-Arabiens und der Emirate –, gelang ihm das auch. Heute sitzt Mohamed Hamdan Dagalo im „Obersten Souveränitätsrat des Übergangs“ und bemüht sich um Anklang beim sudanesischen Volk. Eventuell kandidiert er sogar bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen. Und während alledem gehen seine Goldplünderungen in Jebel Amer völlig unbehelligt weiter, wo nach wie vor dermaßen enorme Goldvorkommen lagern, dass man einem Teil des Hügels sogar schon den Beinamen „Schweiz“ gab.
Allein die kleineren Goldminen in Jebel Amer produzierten etwa im Jahr 2012 Gold im Wert von mehr als 1,3 Milliarden Dollar. Laut der Nachrichtenagentur ist davon auszugehen, dass dort jährlich 50 Tonnen Gold abgebaut werden und der Sudan somit der drittgrößte Goldproduzent in Afrika ist.
Jebel Amer wird bis heute von Hamidati und seinen bewaffneten Streitkräften besetzt und das Gold in Privatflugzeugen über Libyen, den Tschad oder Mali in die Emirate ausgeflogen. Bislang floss kein einziger Cent aus diesen Einnahmen in die Staatskasse. Hamidati wird also reicher und reicher, während das Volk an Hunger, Armut, Arbeitslosigkeit und Seuchen leidet, die der dürftigen Infrastruktur im Land geschuldet sind.
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