Die erste Abgeordnete im Sudan
Fatima Ahmed Ibrahim wurde 1965 als erste Frau Abgeordnete im sudanesischen Parlament. Sie war eine der bekanntesten Menschen- und Frauenrechtlerinnen sowie politische Aktivistin im Sudan und im Nahen Osten. Fatima kam 1932 in Khartum als Tochter gebildeter Eltern zur Welt. Ihr Großvater war Direktor der ersten Knabenschule im Sudan – Schulen für Mädchen gab es dort damals noch nicht. Dennoch wurde sie von ihrem Großvater mütterlicherseits zusammen mit ihren Brüdern eingeschult. Nachdem Fatima die Grundschule abgeschlossen hatte, setzte sie auf Bestreben ihrer Mutter die Schulausbildung in einer der damaligen britischen Schulen fort. Es ist in erster Linie ihrer Mutter zu verdanken, dass Fatima eine gute Bildung genossen hat und ihr Interesse am Lesen geweckt wurde. Von ihrem militanten Vater wiederum stammten ihr Sinn für Rechtschaffenheit, Protest gegen die herrschende Regierung und ihr Einsatz für Recht und Gerechtigkeit.
1966 heiratete Fatima den Gewerkschafter Alshafi Ahmed Elshikh, der sich für die Rechte der Arbeiter stark machte und auch Vizepräsident des Weltgewerkschaftsbundes sowie einer der bekanntesten Parteiführer der Sudanesischen Kommunistischen Partei war. Später wurde er während der britischen Mandatszeit vom Abbud-Militärregime verhaftet.
Fatima selbst begann ihre politische Arbeit bereits in der Sekundarschule, als sie den ersten Protest in einer Mädchenschule im Sudan anführte. 1952 gründete sie dann gemeinsam mit anderen führenden weiblichen Persönlichkeiten die Frauenunion, woraufhin 1956 ihr Beitritt zur Sudanesischen Kommunistischen Partei folgte. Die rechtsbewusste Fatima war stets darauf bedacht, die Unabhängigkeit der Frauenunion von jeglichem politischen oder patriarchalen Einfluss zu bewahren. Ihr Engagement als Aktivistin reichte von der Stärkung der gesellschaftlichen Rolle und Stellung der sudanesischen Frau bis hin zur Gründung des Magazins „Sawt al-mar‚a“ („Stimme der Frau“), bei dem auch einige Mitglieder der Frauenunion mitwirkten und sie selbst Chefredakteurin war.
Im Jahr 1964 wurde sie als erste weibliche Abgeordnete ins regierende sudanesische Parlament gewählt, wo sie ihre Arbeit als Frauenrechtlerin fortführte. Nachdem der 1971 von Hashem al Atta angeführte und mit einer Gruppe von Kommunisten unternommene Putschversuch gegen das Regime von Präsident Jaafar Nimeiry gescheitert war, wurde Fatimas Ehemann Alshafi Ahmed hingerichtet und Fatima – inzwischen Mutter eines kleinen Sohnes – für zweieinhalb Jahre zu Hausarrest verurteilt. Während dieser Zeit wurde sie auch immer wieder im Gefängnis inhaftiert – sie war damit die erste politisch tätige Frau in der sudanesischen Geschichte, die verhaftet wurde.
Nach ihrem Arrest verließ sie den Sudan und führte ihren Kampf gegen das diktatorische Regime im Exil fort, indem sie dort Veranstaltungen und Demonstrationen durchführte und Friedensmärsche im Südsudan organisierte etc. Im Laufe ihres engagierten Lebens nahm Fatima nicht nur an zahlreichen nationalen und internationalen Konferenzen teil, sondern leitete auch viele davon selbst.
1991 wurde sie zur Präsidentin der Internationalen Demokratischen Frauenföderation gewählt – damit wurde zum ersten Mal überhaupt eine muslimische Frau afrikanisch-arabischer Herkunft und aus einem Entwicklungsland in eine solche Position bestellt.
Fatima hat auch zahlreiche Bücher herausgegeben, darunter: Ḥasādunā ḫilāl ʿišrīn ʿāmman („Unsere Ernte von 20 Jahren“), al-Marʾa al-ʿArabiyya wa-t-Taġyīr al-Iǧtimāʿī („Die Frauen und der soziale Wandel“), Ḥaula Qaḍāyā al-aḥwāl aš-šaḫṣiyya („Persönliche Statusangelegenheiten“), Qaḍāyā al-Marʾa al-ʿāmila as-sūdāniyya („Die Angelegenheiten sudanesischer Arbeiterinnen“) und Ān Āwān at-Taġyīr wa-lākin! („Es ist Zeit für Veränderungen, aber!“). Darüber hinaus hat sie viele Artikel in Zeitungen und Journalen veröffentlicht.
Fatima wurde auch mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Für ihren Einsatz für Menschenrechte erhielt sie etwa den UN-Award, und die University of California verlieh ihr 1996 für ihr Engagement für Frauenangelegenheiten und gegen Kinderarbeit die Ehrendoktorwürde. Außerdem bekam sie 2006 den „Ibn-Ruschd-Preis für Freies Denken“. Sie starb am 12. August 2017 in London und hinterließ einen Sohn, der als Arzt arbeitet. Und sie hinterließ uns ein Erbe, auf das wir Sudanesinnen stolz sind und sie uns als Vorbild nehmen.
Ins Deutsche übertragen von Melanie Rebasso