Sehnsucht nach den Nächten von Kiew

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Hoffnung auf Rückkehr

Auf Empfehlung der Eltern ging der verspielte junge Iraner Pedram zum Studium in die Ukraine. Im Jahr 2009 begann er an der Nationalen Universität für Bauwesen und Architektur Kiew (KNUBA) mit dem Studium des Bauingenieurwesens. Ein Jahr später lernte er das ukrainische Mädchen Liubov kennen, in das er sich verliebte. Doch dann hatte er Sehnsucht nach seiner Heimat und ging nach seinem Bachelor zum Abschluss eines Masterstudiums zurück in den Iran. Die Liebe zu seiner Freundin Liubov führte Pedram einige Male nach Kiew zurück. Schließlich heirateten die beiden in der Ukraine. Pedram eröffnete mit einem Freund ein Café und begann zeitgleich, sich mit neuen
Medien wie YouTube und Weblogs zu beschäftigen. Nebenbei konnte er durch Russischunterricht ebenfalls
etwas dazuverdienen.

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Mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie mussten Pedram und sein Freund das Café aufgeben, wodurch sie einen Großteil ihrer Einnahmen verloren. Er und Liubov hatten bereits Pläne für den Kauf einer Wohnung geschmiedet, Formalitäten und Bankverträge waren fast abgeschlossen, als sie plötzlich die Nachricht vom Überfall Russlands auf die

Ukraine erreichte. Diese Nachricht machte alle Pläne und Hoffnungen der beiden zunichte. Pedram konnte nicht glauben, dass Russland einen Krieg gegen sein Bruderland Ukraine führt.
Selbst nach Tagen des Überfalls war Pedram – wie viele andere auch –
noch völlig gelähmt. Auch nach zehn Tagen des Krieges hatte er die Hoffnung auf Normalität und die Rück-
kehr zu ruhigen Zeiten nicht aufgegeben. Dann wollte er mit Liubov kurzzeitig in den Westen der Ukraine ziehen, um bald wieder zurückkommen zu können. Doch auch im Westen der Ukraine erwarteten sie große Probleme. Es gab keine Unterbringungsmöglichkeiten mehr, weil zu viele Menschen dort Zuflucht suchten.

Eine Weiterfahrt nach Polen führte ebenfalls zu keiner Lösung, denn auch hier waren bereits unendlich viele Geflüchtete angekommen. So setzten Pedram und seine Frau den Weg nach Deutschland fort.

Voller Hoffnung und Freude kamen die beiden in Berlin an. Pedram, der zum ersten Mal in Deutschland war, war geschockt von den sozialistischen Plattenbauten, wie sie im Ostteil der Stadt zu sehen sind, denn sie erinnerten ihn an alte kommunistische Städte. Er hatte sich Berlin neuer und moderner vorgestellt.

Auf Einladung ihrer Freunde gingen Pedram und seine Frau dann nach Düsseldorf. Auch dort sehen sie sich mit vielen Problemen konfrontiert. Insbesondere macht ihnen die Sprachbarriere große Sorgen. Zwar können sie sich auf Englischartikulieren, aber dies gibt ihnen keine klare Perspektive. Sie wissen, dass sie bei einem längeren Aufenthalt auch Deutsch lernen müssen. Sie wissen ebenfalls, dass sie mit einer Ausbildung bessere Chancen hätten, einer qualifizierten Arbeit nachzugehen. Alles in allem ein sehr langer und mühsamer Weg ohne hoffnungsvolle Aussichten. Für beide ist der Ver- lust ihrer Heimat ein besonders herber Schlag. Momentan leben er und seine Frau in einer Gemeinschaftsunterkunft und fragen sich, wie es für sie wohl weitergehen kann. Trotz aller Widrigkeiten sind sie voller Zuversicht, einmal wieder die Nächte in Kiew zu erleben – in Ruhe und in einer Welt voller Frieden.

 

Aus dem Persischen ins Deutsche übertragen von Mohammad Schams

Dieser Beitrag ist auch verfügbar auf: فارسی (Persisch) Ukrainian (Ukrainisch)

Geschrieben von
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